Veranstaltung: | Stadtversammlung am 28.11.2022 |
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Tagesordnungspunkt: | 3 Schwerpunktthema |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Stadtvorstand |
Eingereicht: | 16.01.2023, 15:34 |
Antragshistorie: | Version 1 |
A Stadtgestaltung im Einklang mit Klimaschutz und Natur
Beschlusstext
München ist eine der lebenswertesten Städte der Welt. Aufgrund der hohen
Attraktivität durchläuft die Stadt einen steten Zuzug und wächst immer weiter.
Die Prognose für die Bevölkerungsanzahl liegt bis 2040 bei 1,85 Millionen
Bürger*innen. Es werden bis dahin neue Wohnviertel geplant und gebaut. Diese
Entwicklung ist zwangsläufig auch mit Versiegelung von Flächen verbunden, was
uns aus ökologischen Gründen zur Vorsicht verpflichtet.
Der Kampf gegen den Klimawandel bei gleichzeitigem Wachstum Münchens schafft
Herausforderungen, die im Idealfall von der Stadt, ihrem Umland und der
Metropolregion gemeinsam gelöst werden sollten. Dafür ist eine enge und
intensive Zusammenarbeit in diesen Bereichen mit den Umlandgemeinden notwendig.
Doch auch München allein muss aktiv bleiben und selbständig Lösungen finden.
Denn Wachstum bedeutet auch, dass mehr Einwohner*innen sich Jahr für Jahr den
selben Öffentlichen Raum teilen. Eine Belastung, die insbesondere an den
Münchner Seen, den Parks und im Innenstadtbereich an der Isar spürbar ist: es
wird voller, es wird lauter und insbesondere Grünflächen werden mit erhöhtem
Müllaufkommen belastet.
Dabei ist München die deutsche Großstadt, mit dem geringsten Grünflächenanteil
und sollte daher ein besonderes Auge auf deren Sauberkeit und Schutz werfen. Für
uns Grüne ergibt sich daraus die Verpflichtung, mit öffentlichem Raum und
insbesondere Grünflächen, egal ob Wiese oder Biotop, egal ob Landschafts- oder
Naturschutzgebiet, sorgsam umzugehen, diese Flächen zu erhalten, zu schützen und
zu pflegen und, wo es die Möglichkeiten gibt, auch zu erweitern oder gänzlich
neu zu schaffen.
Denn Städte heizen sich stärker auf als ländliche Gebiete. In den letzten
Sommern haben wir erfahren, was Hitzeperioden für Auswirkungen auf Natur und
Menschen haben können. Es ist unsere Aufgabe hier aktiv Prävention zu betreiben,
statt reaktiv mit absehbaren Szenarien umzugehen.
Unser Leitbild für die Zukunft Münchens ist deswegen eine ökologisch und sozial
tragfähige Stadtentwicklung mit Fokus auf
- Klimaresilienz
- Umwelt-, Natur- und Artenschutz
- die Mobilitätswende
- eine zukunftsorientierte Energieversorgung
- vollumfängliche soziale Infrastruktur
- bezahlbaren Wohnraum
- Ressourcenschutz
Konkurrierende Ziele miteinander in Einklang zu bringen, erfordert sorgsame
Abwägung sowie zukunftssichere Lösungen. Dabei setzten wir auf eine intensive
Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Instituten, der Verwaltung und direkt mit
den Bürger*innen vor Ort.
Die wichtigsten Faktoren für eine klimaresiliente, kühlere Stadt sind Bäume,
Grünflächen, Kaltluftschneisen, Wasserflächen und die Umsetzung des
Schwammstadtprinzips. Dafür müssen die Stadt und auch die Münchner*innen selbst
gegebenenfalls Abstriche bei der Nutzung unserer öffentlichen Grünflächen
machen. Wir überlegen, wie München sich in den nächsten Jahrzehnten auf den
Klimawandel und die steigende Einwohner*innenzahl einstellen kann und wo Grün-
und andere Freiflächen anders genutzt werden müssen, um eine insgesamt
lebenswerte Stadt zu erhalten.
Lebenswert bedeutet auch, dass München für Menschen mit geringerem Einkommen
bezahlbar bleibt. Dafür wollen wir den genossenschaftlichen Wohnbau
intensivieren und setzen uns dafür ein, unsere Stadt schrittweise
zurückzukaufen.
Umwelt, Energie und Mobilität sowie Erhalt und Ausbau sozialer Infrastruktur wie
Kinderbetreuung, Schulkapazitäten, Pflegeplätze und Nachbarschaftshilfen denken
wir dabei grundsätzlich mit. Wir reduzieren den Verkehr so weit als möglich
durch einen ausgebauten und leistungsfähigen ÖPNV und moderne
Mobilitätskonzepte. Neue Viertel planen wir von Beginn an autoarm. Wir planen
langfristig und bringen Umweltschutz, Naturerhalt, eine hohe Lebensqualität,
schlüssige Verkehrskonzepte und die Energiewende so weit wie möglich in
Einklang. Unser übergeordnetes Ziel muss dabei immer der Kampf gegen den
Klimawandel sein - bei direkter Konkurrenz im Zweifel auch gegenüber Traditionen
oder Denkmalschutz.
Um diese Ziele zu erreichen, setzen wir Grüne uns auf Partei- und Mandatsebene
für folgende Themen ein:
- Wir erfassen den Status Quo unseres öffentlichen Raums und überlegen, wie
dieser erhalten bleiben, begrünt und gekühlt werden kann, auch wenn dabei
Nachteile oder Verluste für aktuell bestehende Nutzung mit einhergehen.
Beispielhaft sei hier die Theresienwiese genannt. Die riesige Fläche, die
in Gänze freigehalten wird, um einmal im Jahr das Oktoberfest parallel mit
der Oiden Wiesn oder dem Zentralen Landwirtschaftsfest stattfinden zu
lassen, bietet Potenzial im Sinne von dauerhafter Begrünung,
Naherholungsflächengewinn und Stadtklimaanpassung, ohne das Oktoberfest
dabei in Frage zu stellen. Wir debattieren bei entsprechenden Flächen
künftig, welches Thema vorrangig zu behandeln ist, bzw. wie beide Themen
in Einklang zu bringen sind: die aktuelle Nutzung sowie notwendige
Änderungen wie dauerhafte Teilbegrünung, Baumpflanzungen und bessere
ganzjährige Nutzungsmöglichkeiten für Naherholung und Abkühlung suchende
Münchner*innen.
Zusätzlich engagieren wir uns über die bekannten Beispiele wie Isar-
Boulevard und Boulevard Sonnenstraße hinaus darum, Mensch und Natur nach
Möglichkeit Flächen zurückzugeben, die heute weitgehend der Autoverkehr
besetzt, sofern dies im Sinne des Stadtverkehrs vertretbar ist. Hierzu
zählen potenziell die Reduzierung von Fahrspuren und die Schaffung
gänzlich vom Autoverkehr befereiter Flächen.
- Um aktuell zur Naherholung genutzte Flächen nicht weiter zu belasten,
sorgen wir für Alternativen über München verteilt. Wir wollen die
innerstädtische Isar entlasten. Das kann nur funktionieren, wenn wir dort
nicht noch mehr Freizeit- und Naherholungsangebote, wie beispielsweise ein
Isarflussbad schaffen, sondern andere dezentrale, ansprechende
Wasserflächen sowie Bademöglichkeiten und Parkangebote abseits der
Innenstadt schaffen. Eine Entzerrung schafft Platz für Bäume und für
Bereiche, die gänzlich dem Schutz der Natur unterliegen können. Wir wollen
auch neue Naturräume schaffen - als Rückzugsort für Wildtiere, die in
unserer Stadt heimisch geworden sind - so zum Beispiel die Weideninsel,
deren Unterschutzstellung kürzlich beantragt wurde.
- Wir messen insbesondere Bäumen, aber auch Dachbegrünungen und
Fassadenbegrünungen mehr Wert bei und wollen deren Bestand besser
dokumentieren und evaluieren. Dazu setzen wir uns weiter für einen
stadtweiten Baumkataster ein, der Daten auch stadtteilbezogen zur
Verfügung stellt und damit Handlungsspielräume für unsere
Bezirksausschüsse aufzeigt. Durch eine mögliche Novellierung der
Freiflächengestaltungssatzung wollen wir erreichen, dass künftig folgende
begrünungsförderlichen Maßnahmen Berücksichtigung finden:
Niederschlagsmanagement (durch Zisternen, Versickerungsmulden und
Rigolen), Fassadenbegrünung (u. A. verpflichtend bei Neubauten),
Pflanzauswahl (gemäß Biodiversität und Klimaanpassung), Minimierung von
Versiegelung (z. B. durch festgelegtes Maximum von
Garagenzufahrtsbreiten), explizites Ausschließen von Schottergärten und
Gabionenmauern und die Aktualisierung der Mindeststandards bei extensiver
und intensiver Dachbegrünung.
Wo Bäume gefällt werden müssen, weil sie Sturmschäden erlitten haben, sie
krank sind oder aus Altersgründen nicht mehr zu erhalten sind, fordern wir
umgehende Nachpflanzungen. Dies gilt auch für entsprechende Bäume auf
Privatgrundstücken,für die bis dato keine Pflicht zur Ersatzpflanzung
besteht.Wir setzen uns auf Stadtratsebene dafür ein, die Baumschutzverordnung
(BaumSchV) zu novellieren. Hierbei soll primär der Baumschutz erweitert
werden, so dass bereits Bäume ab einem Stammumfang (STU) von 50cm (bisher
80cm) geschützt werden sollen. Auch Kletterpflanzen und Obstgehölze (mit
STU 50cm u. Kronenansatz ab 120cm) sollen künftig ebenfalls dem Baumschutz
unterliegen. Bei Verboten ist das Kappen der Baumkrone und das einseitige
Abschneiden von Ästen zu ergänzen. Die Ziele der BaumSchV sind außerdem um
die Aspekte Biodiversität und Stadtklima zu erweitern. Bei Fällungen
achten wir darauf, dass nicht nur die reine Anzahl an gefällten Bäumen
ersetzt wird, sondern deren Grünvolumen und damit ihr ökologischer Wert,
um in wenigen Jahrzehnten bereits ein echtes Plus an Grün verzeichnen zu
können, das unseren klimatischen Anforderungen gerecht wird.
Wir forcieren weiter die Begrünung städtischer Dächer, wenn diese keiner
anderen, nachhaltigen Nutzung wie der Gewinnung von Sonnen- oder
Windenergie entgegensteht. Dies gilt auch für Haltestellen der MVG. Wir
begrünen Fassaden städtischer Gebäude und investieren mehr Fördermittel in
die (Fassaden-)Begrünung von Privathäusern.Auf Bundesebene setzen wir uns dafür ein, dass der Baumschutz im Baurecht
eine starke Berücksichtigung findet, damit wir für München zügig eine
positive Baumbilanz erreichen können.
- Wir wollen kreative Lösungen dort finden, wo Entsiegeln, Baumpflanzung und
Fassadenbegrünung nicht möglich sind. Hochbeete sind zwar mit
organisatorischem Aufwand verbunden, der aber nicht schwerer wiegen darf
als die notwendige Stadtbegrünung und -kühlung. Für Unterhalt und
Finanzierung suchen wir praktikable Lösungen, wie zum Beispiel Gieß-
Patenschaften.
Wo Sparten die Neupflanzung von Bäumen behindern, die an den gewünschten
Stellen wichtig sind für Straßenklima oder Grünbezüge, werden wir uns
gegebenenfalls für eine Verlegung von Sparten einsetzen, auch wenn diese
mit entsprechendem, auch finanziellem Mehraufwand verbunden ist.
- Um ein Bewusstsein zu schaffen für Bäume in der Stadt, wollen wir mehr
Bäume zu Naturdenkmälern erheben. Diese sollen mit Infotafeln das Wissen
um Stadtklima und die Leistung unserer Bäume dazu mehren.
Die Themengeschichtspfade, wie zum Beispiel Kulturgeschichtspfad oder der
Geschichtspfad der Frauenbewegung in München, wollen wir um
Naturwissenspfade erweitern, die den Bürger*innen neue Orte und deren
Bedeutung für Mensch und Natur näherbringen und für Naturschutz und
Klimaschutz sensibilisieren.
- Bei Gestaltung, Schutz und Neuschaffung von klimaangepassten Grünflächen
planen wir nach dem Schwammstadtprinzip, um Regenwasser nachhaltig zu
speichern und Grünflächen auch in Trockenphasen ausreichend feucht zu
halten. Versickerungsflächen und Mulden werden wir bei entsprechenden
Planungen berücksichtigen und so etwas für die Gesundheit der Stadtbäume
und gegen Überschwemmungen bei Starkregenereignissen tun. Wir
beschleunigen in diesem Sinne die Entsiegelung unnötig versiegelter
Flächen. Dazu gehören für Rad- und Fußverkehr gefährliche, freilaufende
Rechtsabbieger sowie kurze Straßen, die keine Bedeutung für den
Verkehrsfluss (mehr) haben.
- Wir wollen bei Energieversorgung und Energiewende noch ehrgeiziger
vorangehen und die Umstellung auf erneuerbare Energien beschleunigen. Wir
forcieren weiterhin die Bemühungen im Bereich der Geothermie und erweitern
die Fernwärmegebiete massiv. Dort wo kein Fernwärmeanschluss möglich ist,
setzen wir auf dezentrale Lösungen, zum Beispiel mit Wärmepumpen oder
Solarthermie. Die Steigerung von Sanierung und Beschleunigung der
Umstellung auf regenerative Wärme in Bestandsquartieren wollen wir durch
Energiekarawanen im Rahmen des Quartiersansatzes beschleunigen.
- Wir bestehen auf dem Schutz von Kalt-/Frischluftschneisen und ordnen deren
Erhalt Baumaßnahmen über.
Uns Grünen ist bewusst, dass München dauerhaft nur dann lebenswert bleiben kann,
wenn sich der Anstieg der Temperaturen in einem erträglichen Rahmen bewegt und
die Luftqualität gut bleibt oder wird. Deswegen setzen wir uns nicht nur für
eine Energie- und Verkehrswende ein, sondern heben den Schutz und Erhalt von
Bäumen sowie den Schutz, Erhalt und Ausbau von Grünflächen auf ein neues Level.