Veranstaltung: | Stadtversammlung zum Schwerpunkt: Energiewende in München |
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Tagesordnungspunkt: | 3. Anträge Schwerpunkt Energiewende in München |
Status: | Beschluss |
Beschlossen am: | 26.01.2023 |
Eingereicht: | 26.01.2023, 21:12 |
Antragshistorie: | Version 1 |
ST Sicher, nachhaltig, erneuerbar – Münchens Energieversorgung auf neue Beine
Beschlusstext
Mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat Russlands Präsident Putin
einen Krieg in Europa und damit unermessliches Leid für die Menschen in der
Ukraine und eine Bedrohung für die weltweite Ernährungssicherheit und die
europäische Sicherheitsordnung gebracht. Er bringt aber auch große
Herausforderungen für unsere Energieversorgung in München, dem Freistaat und der
Republik mit sich.
Die bayerische Staatsregierung und die Vorgängerregierungen der Bundesrepublik
forcierten die Abhängigkeit von russischen fossilen Energieträgern. Insbesondere
was russisches Gas angeht, wurde Putin von den CSU-Regierungen der letzten
Jahr(zehnt)e hofiert und ihm damit ein Instrument an die Hand gegeben, um
direkten Einfluss auf unsere bayerische und münchnerische Versorgungssicherheit,
unseren Wohlstand und unsere Wirtschaft zu nehmen.
Durch die Abschaltung der Gaslieferungen via Nord-Stream 1 und die
vorangegangenen willkürlichen Drosselungen hat Russland einen Wirtschaftskrieg
mit Europa begonnen.
Die Bundesregierung und das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima unter
grüner Führung hat im vergangenen Jahr jede Anstrengung unternommen, die
Bundesrepublik nicht nur aus der energiepolitischen Abhängigkeit Russlands zu
befreien, sondern die fossile Abhängigkeit unserer Gesellschaft zu überwinden.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klima hat es binnen kürzester Zeit
geschafft, trotz der großen energie- und sicherheitspolitischen
Herausforderungen, die Energieversorgung für diesen Winter sicherzustellen.
Auch in München tragen wir Grüne unseren Teil bei und übernehmen die
Verantwortung für eine sichere und nachhaltige Energiewende, die so schnell wie
möglich auf Abstand zu fossilen Energieträgern geht und sich von der russischen
Abhängigkeit löst.
Dabei setzen wir Grüne – wie schon vor der Krise – mit aller Kraft auf
Einsparung, Energieeffizienz und den beschleunigten Ausbau Erneuerbarer Energien
sowie den Bau von Stromspeichern.
Nachhaltiger Strom – Nachhaltige Wärme
Wir begrüßen die Pläne der Stadtwerke, bis 2025 den gesamten Stromverbrauch für
München aus erneuerbaren Quellen zu decken. Die Stadtwerke setzen dabei auf
Wind- und Solarprojekte in ganz Europa. Zusätzlich wollen wir dafür sorgen, dass
ein möglichst großer Anteil erneuerbaren Stroms und Wärme in München und der
Region selbst erzeugt wird. Unser Ziel ist die reale Klimaneutralität Münchens,
nicht nur eine rechnerische auf dem Papier.
Auch wenn das Potenzial für die Erzeugung erneuerbarer Energie im Strom-Sektor
im städtischen Raum weit hinter dem des Wärme-Sektors liegt, sind auch hier
verstärkte Anstrengungen nötig, um dieses auszuschöpfen. Der jährliche PV-Ausbau
ist in München bereits stark gestiegen, muss aber noch deutlich zunehmen. Wir
erhöhen das Ziel für den Zubau daher schrittweise von aktuell jährlich 15 MW auf
30 MW und schließlich 60 MW. Die Stadtwerke München fordern wir auf, ihrer Rolle
als größter Energieversorger in München gerecht zu werden und mindestens die
Hälfte dieses Zubaus zu leisten. Wir begrüßen außerdem, dass die Rathaus-
Koalition eine PV-Dachagentur ins Leben gerufen hat, die ein Scharnier zwischen
Dachflächen-Eigentümer*innen einerseits und PV-Betreiber*innen andererseits
bildet. Vor allem braucht es aber endlich ein bayerisches Gesetz für eine PV-
Pflicht auf Dächern wie beispielsweise in Baden-Württemberg.
Bürgerenergiegemeinschaften, die erneuerbare Energie lokal erzeugen,
bereitstellen und speichern sollen stärker unterstützt werden.
Die Mammutaufgabe im Energiebereich liegt bei der Wärmewende. Unser Leitbild
dafür sind die in der Studie „Klimaneutrale Wärme 2035“ aufgezeigten
Lösungspfade zur Ermöglichung der perspektivischen grünen Fernwärme in München,
wenngleich diese in einigen Jahren auf ein noch ambitionierteres Vorgehen
überprüft werden müssen.
Wir unterstützen daher die bereits von den SWM begonnene Dekarbonisierung des
Fernwärmenetzes durch die Erschließung neuer Standorte der Tiefengeothermie.
Auch wenn die Flächen in München knapp sind, sprechen wir uns unter jeweiliger
Abwägung der Rahmenbedingungen für neue Geothermie-Heizwerke im Stadtgebiet aus.
Für den Ausbau neuer „Fernwärme-Übertragungsleitungen“ zu Anlagen südlich von
München und die Umstellung des Fernwärmenetzes von Dampf auf Heißwasser streben
wir genehmigungsrechtliche Beschleunigungen an. Gleichzeitig fordern wir die SWM
auf, ihre bisherigen Anstrengungen zu intensivieren.
Sowohl um eine mögliche Lücke im Gasbedarf eines CO2-neutralen Fernwärmenetzes
zu schließen als auch für die industrielle Nutzung, wird es voraussichtlich
einen Bedarf für Grünen Wasserstoff in München geben. Hier ist der Freistaat
gefragt, möglichst zeitnah eine tragfähige Netzstruktur zu errichten, die den
Wasserstoff-Transport aus Norddeutschland ermöglicht.
Den Anschluss neuer Stadtgebiete an die Fernwärme werden wir entsprechend der
Studie vorantreiben. Im Rahmen der Kommunalen Wärmeplanung soll dabei jeweils
gebäudescharf die bestmögliche Art der Energieversorgung ermittelt werden. In
den Fernwärmeversorgungsgebieten ist das in der Regel der Anschluss an diese.
Wir begrüßen daher, dass die SWM ein Förderprogramm für Hausanschlüsse von 10
Millionen Euro aufgelegt haben. Ist ein Fernwärmeanschluss nicht sinnvoll,
setzen wir im staatlichen und städtischen Gebäudebestand und -neubau
ausschließlich auf dezentrale erneuerbare Wärmeversorgung wie Luft- und
Grundwasserwärmepumpen oder Solarthermie. Im privaten Gebäudebestand bedarf es
einer Mischung aus Förderung wie der Bundesförderung für effiziente Gebäude
(BEG) oder dem städtischen Förderprogramm Klimaneutrale Gebäude (FKG), aber auch
regulatorischer Maßnahmen wie einem Verbot monovalenter Gaskessel.
Die in München vor kurzem unter grün-rosa Federführung beschlossene kommunale
Wärmeplanung ist ein großer Schritt nach vorne im Bereich der nachhaltigen und
sicheren Wärmeversorgung. Die ersten Projekte und Studien werden im Frühjahr dem
Stadtrat vorgelegt.
Wir Grüne setzen uns dafür ein, dass die Landeshauptstadt Beschränkungen für
bestimmte Brennstoffe oder Anlagen aus Klimaschutzgründen ausspricht. Die vom
Referat für Klima und Umwelt in Auftrag gegebene Studie soll hierbei schnelle
Ergebnisse und Handlungsmöglichkeiten liefern. Die Stadtratsfraktion ist
angehalten hier ein beschleunigtes Verfahren anzustoßen.
Grün im Bau – Grün im Umbau
Neben der Umstellung der Energieerzeugung auf Erneuerbare Energien, liegt im
Gebäudesektor das zentrale Aufgabenfeld für das Gelingen der Energiewende in
München. Neue Gebäude müssen möglichst klimaneutral gebaut werden, sowohl was
die genutzten Baumaterialien als auch den anschließenden Energiebedarf betrifft.
Die Stadt verfolgt mit Konsequenz den beschlossenen Weg zur Klimaneutralität
auch im Bausektor. Das erfordert einen klaren Fokus auf den Holz- und
Holzhybridbau bei allen Städtischen Bauten, um die Stadt München als Vorreiterin
auch im mehrgeschossigen Holzbau und Holzhybridbau auch bei Schulen und
Verwaltungsgebäuden zu etablieren. Für Gebäude mit geringer Geschossigkeit ist
die Holzbauweise bereits seit 2019 als Standard vorgegeben.
Vor allem aber muss der Gebäudebestand weit schneller und auf einen höheren
Energiestandard saniert werden als bisher, um die Pariser Klimaziele zu
erreichen.
Die Grün-Rote Rathauskoalition hat hier bereits wegweisende Beschlüsse
getroffen. Wohngebäude im städtischen Einflussgebiet werden künftig mindestens
im Effizienzhausstandard (EH) 40 oder 40+ errichtet, bestehende Wohngebäude in
EH 55 saniert. Mit dem Förderprogramm Klimaneutrale Gebäude (FKG) hat die
Koalition 130 Millionen Euro zur Abfederung zusätzlicher Investitionskosten zur
Verfügung gestellt.
Nun gilt es die Sanierungsrate, die im Schnitt in München derzeit bei 1% liegt,
deutlich zu steigern. Die Stadt und die städtischen Tochtergesellschaften
fordern wir auf, hier deutlich mehr Anstrengungen zu unternehmen als bisher. Den
Wohnungsbaugesellschaften müssen dafür als städtischem Akteur zusätzlich zum
Förderprogramm Klimaneutrale Gebäude Mittel zur Verfügung gestellt werden, um
die Sanierungen finanziell zu ermöglichen. Darüber hinaus gilt es den
Quartiersansatz möglichst zeitnah von aktuell einigen wenigen Piloten auf große
Teile des Stadtgebietes zu skalieren, um möglichst viele private Akteure für
Sanierungen zu gewinnen.
Damit auch bei möglichst allen Neubauten eine Energieberatung stattfindet,
setzen wir Grüne uns dafür ein, dass die Lokalbaukommission verstärkt in der
Öffentlichkeits- und Beratungsarbeit auf die Energieberatung bei Wohn- aber auch
Nichtwohngebäuden z.B. durch automatische Hinweisschreiben oder Links in allen
Antwortschreiben auf die entsprechenden Angebote der Stadt und anderer
Institutionen hinweist.
Wenn private und staatliche Akteure sich dazu entscheiden, eine Solaranlage
bauen zu wollen, sollten sie daran nicht gehindert werden. Daher fordern wir vom
Freistaat eine schnelle und klare Regelung für eine möglichst weitgehende
Freigabe der Nutzung auch von Dächern im Denkmal- und Ensembleschutz, die auf
Druck unserer Bürgermeisterin und der Grünen im Landtag bereits angeschoben
wurde. Ergänzend dazu müssen Fördermittel im Denkmalschutz zur Erfüllung von
besonders gestalterischen Anforderungen bereitgestellt und auch dezidierte
Öffentlichkeitsarbeit gemacht oder bspw. Preise für die besten
denkmalverträglich umgesetzten Lösungen ausgeschrieben werden.
Gebäude verbrauchen nicht nur Energie in der Nutzung, sondern auch in
Herstellung und Abbruch. Daher müssen alle Bauteile eines Gebäudes möglichst
durchgehend im Kreislauf betrachtet werden, wie es z.B. durch Materialpässe oder
Materialdatenbanken möglich ist, die daher für alle Bauvorhaben zum Standard
werden müssen. Nur so wird der gesamte ökologische Fußabdruck eines Gebäudes
auch sichtbar.
Für die besondere Förderung von nachwachsenden Rohstoffen mit Schwerpunkt Holz
hat die Stadt München in Zusammenarbeit mit Universitäten ein
Berechnungsverfahren entwickelt was Beispielhaft ist und bayern- oder auch
bundesweit eingesetzt werden kann.
Wir wollen und brauchen mehr Zug bei den wirklich energetisch sinnvollen
Sanierungen, aber keine versteckten Luxussanierungen, die Mieter*innen
verdrängen. Daher soll die Duldungspflicht für die Umsetzung von nicht-
energetischen Modernisierungen der Mieter*innen stark beschränkt oder am besten
ganz abgeschafft werden.
Energiewende vorantreiben und soziale Härten
abfedern
Die Energiewende ist auch in und für München und seine Bürger*innen der
schnellste und sicherste Weg nicht nur eine ausreichende, sondern auch
wirtschaftlich nachhaltige Energieversorgung sicherzustellen. Denn erneuerbare
Energien bieten eine Versorgung, die deutlich weniger abhängig von anderen
Staaten ist und auch flexibler einsetzbar.
Für die Zwischenzeit ist aber auch klar, dass soziale Härten abgefedert werden
müssen.
Wir Grüne stehen für eine sozialökologische Transformation, die den Klimaschutz
vorantreibt und soziale Härten ausgleicht. Daher begrüßen wir die Errichtung des
Energiekostenfonds in München, der bei Härtefällen betroffenen Münchner*innen
unter die Arme greift und finanziell unterstützt. Wir unterstützen auch die
freiwilligen Leistungen, die die Landeshauptstadt unternimmt, um soziale Härten
abzufedern, wie der Stromkostenzuschuss oder auch die Schuldenübernahme beim
Energieversorger.
Effizienz und Sparen – Gut über den Winter und
die nächsten Jahre
Auch wenn die Münchner*innen sowie Münchner Unternehmen bereits einen großen
Beitrag bei der Energieeinsparung leisten, müssen wir für die Zukunft noch
besser werden. Daher möchten wir diejenigen, die es schwerer haben zu sparen,
bzw. zu wenige Informationen besitzen, unterstützen. Wir fordern daher, dass
allen Münchner*innen ein im besten Falle mehrsprachiges Informationsblatt mit
Hinweisen zum Energiesparen und Angeboten zur Energieberatung für die Senkung
des Eigenverbrauchs zugeleitet wird. Die unter grüner Federführung eingerichtete
Energiesparprämie der Stadtwerke München ist ein richtiger und wichtiger Anreiz.
Denn angesichts der Klimakrise und der Energiesituation müssen wir auch aktiv
zum Energiesparen ermuntern.
Insbesondere im eigenen Einflussbereich muss die Landeshauptstadt München mit
gutem Beispiel vorangehen. Dass die Umrüstung auf LED im Straßenraum bereits im
zweiten Austauschprogramm umgesetzt wird, begrüßen wir. Nichts desto trotz muss
nun auch der städtische Gebäudebestand zeitnah nachgerüstet werden. Wir fordern,
dass dies in den Zeiten der Energiekrise priorisiert und beschleunigt wird.
Außerdem sollen die Vor-Ort-Begehungen der Verwaltungsgebäude intensiviert
werden, um kurzfristige individuelle Einsparpotentiale zu ermöglichen. Dazu
gehören unter anderem die Optimierung von Betriebszeiten, die Abstimmung der
technischen Anlagen oder ein Pumpentausch, wo möglich.
Weiter werden wir im Rathaus darauf hinwirken, zu prüfen, welchen
Energieverbrauch die Münchner Kläranlagen haben – laut dem Energieatlas Bayern
gehen 25% bis 50% der kommunalen Stromrechnung zu Lasten des
Kläranlagenbetriebs. Sie sind in Bayern oft „der größte Einzelverbraucher vor
Schulen, Verwaltungsgebäuden und der Straßenbeleuchtung“. Die Fraktion wird dazu
aufgefordert zu prüfen, ob die im Energieatlas Bayern festgehaltenen Werte auch
für die Landeshauptstadt München zutreffen, inwiefern der Anlagenbetrieb
effizienter gestaltet werden kann und Projekte wie die Abwasserwärmenutzung
ausgebaut werden können oder eine anzudenkende Nutzung von Klärschlammpyrolyse
in München möglich wären.