Veranstaltung: | Digitaler Stadtparteitag am 8. Juni 2021 |
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Tagesordnungspunkt: | 4. Anträge |
Antragsteller*in: | Alfred Mayer |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 08.06.2021, 11:24 |
A 11: A GO 1: Verlegung der Delegiertenwahlen wegen undemokratischer Einschränkungen der Vorstellungsmöglichkeiten.
Antragstext
Die Stadtversammlung des Kreisverbands München-Stadt am 08.06.2021 möge
beschließen:
1. Alle Delegiertenwahlen werden zur Herstellung der in einer Demokratie
unverzichtbaren Chancengleichheit und des unveräußerlichen Rechts der
Mitglieder, die Bewerberinnen herausfinden zu können, die ihren Vorstellungen
und Anliegen am nächsten kommen, von der Tagesordnung abgesetzt.
2. Sollte wider Erwarten Ziffer 1 keine Mehrheit erhalten, findet die
rechtsverbindliche Abstimmung mittels Briefwahl und nicht Urnenwahl statt. Auf
eine vorausgehende - ohnehin nur unverbindliche und eher verwirrende - digitale
Wahl wird verzichtet.
3. Sollte es wider Erwarten bei der digitalen Abstimmung bleiben, werden bei der
nacfolgenden rechtsverbindlichen Abstimmung mit Urnen- oder 'Briefwahl“ auf dem
Stimmzettel auch die Bewerber*innen aufgeführt, die bei der erklärtermaßen
unverbindlichen digitalen Abstimmung ausgeschieden sind.
Begründung
1. Der Stadtvorstand behauptet eine coronabedingte Notwendigkeit, die er selbst auf Anfrage nicht begründet hat, jetzt schon alle in diesem Jahr anfallenden Delegiertenwahlen durchzuführen und schafft damit bewußt und gewollt eine Zeitnot, die angeblich eine persönliche Vorstellung der Bewerber*innen in der Stadtversammlung nicht zulässt. Völlig undurchsichtig ist, welche Verfahrensschritte der Delegiertenwahlen nach den Vorstellungen des Stadtvorstands da noch für die Stadtversammlung bleiben.
Ich erwarte nichts Gutes. Anscheinend ist geplant, unvermittelt digital über die Liste der Bewerber*innen unter Zeitdruck abstimmen zu lassen und die dabei ausgeschiedenen Bewerber*innen dann gar nicht mehr bei der allein rechtsgültigen Urnenwahl auf dem Stimmzettel aufzuführen.
Man stelle sich vor. Nach Aufruf des TO-Punkts wird beschlossen, auf die persönlichen Vorstellungen zu verzichten. Dann wird die Kandidatenliste auf den Bildschirm projiziert und abgestimmt. Mit Sicherheit haben nicht alle Stimmberechtigten wenigstens die digital vorliegenden
Kürzestvorstellungen zur Kenntnis nehmen können und stimmen damit nur über Namen ab.
Wenn das Schule machen sollte, wäre die Demokratie am Ende.
Es gibt keinen vernünftigen, rechtschaffenen Grund, der allein gültigen Urnen- oder Briefwahl eine digitale Abstimmung ohne Vorstellung der Bewerber*innen vorausgehen zu lassen und damit die Absicht zu verbinden, die bei der digitalen Abstimmung nicht berücksichtigten Bewerber*innen der allein gültigen analogen Abstimmung zu entziehen.
Gerade im Hinblick auf die Pandemie ist die Eile rational nicht nachvollziehbar. Es ist noch dazu durchaus wahrscheinlich, daß zumindest ein Teil der Delegiertenwahlen analog durchgeführt werden können, wenn sie wirklich anstehen.
Darüber hinaus wird den Bewerber*innennicht das demokratische Mindestmaß an Zeit für ihre Vorstellung eingeräumt. Damit wird der (allen auch ohne Vorstellung bekannte) bestehende Kader grob bevorzugt.
Wenn von mehr als 3000 Mitgliedern nur 22 entsandtwerden können und damit alle anderen von einer Mitsprache ausgeschlossen sind, ist schon ohne geistige Anstrengung betrachtet nicht hinnehmbar, der Basis die Möglichkeit vorzuenthalten, die Bewerber*innen herauszufinden, die ihren Vorstellungen und Anliegen am nächsten kommen.
Sage und schreibe 400 Zeichen für die schriftliche Vorstellung und eine Minute für das Video zu akzeptieren, wäre der Beginn des Niedergangs der Grünen als demokratischer Partei - gerade in einem Augenblick des uns allein von einer für ihre Zukunft kämpfenden mutigen Jugend geschenkten, für die Bewahrung der Lebensgrundlagen bitter notwendigen Erfolges.
Für eine analoge Versammmlung ist eine Begrenzung der Vorstellungen noch eher zu verstehen, wenn aber in der virtuellen Versammlung gar keine Vorstellung mehr erfolgen soll und auch die Videos nicht während der Versammlung eingespielt werden sollen, hat eine derart quälerische Einschränkung keine seriöse Grundlage mehr.
Aber selbst für die herkömmlichen Stadtversammlungen hatten wir uns nach langem Hin und Her schon auf eine Vorstellungszeit von 3 Minuten für die Delegiertenwahlen geeinigt.
Der Bundeswahlleiter stellt in seinen Hinweisen zur Durchführung von Aufstellungsversammlungen für Bundestagswahlen Hinweise zur Durchführung von Aufstellungsversammlungen für Bundestagswahlen (bundeswahlleiter.de) auf Seite 28 fest: Den Mindestanforderungen an ein demokratisches Wahlverfahren genügt es nicht, wenn einem Kandidaten lediglich eine Zeitspanne von drei Minuten zur Vorstellung seiner Person und seines Programms eingeräumt wird. [4], Rn. 63
Auch wenn das nicht direkt für Delegiertenwahlen festgelegt wurde, ist jede Partei und nicht nur unsere sich sogar basisdemokratisch gebende Partei insoweit an das gebunden, das die Rechtsgemeinschaft unter "Mindestanforderungen an ein demokratisches Wahlverfahren" versteht.
Nichts anderes kann also in einer formal immer noch demokratisch verfassten Partei gelten, wenn aus 3000 Mitgliedern 22 Delegierte ausgewählt werden müssen, die in gewichtiger Weise bei der Gestaltung unserer auf das Höchste gefährdeten Zukunft irreversibel mitzuentscheiden haben werden.
Wem die Einbeziehung der Basis lästig ist, der sollte sich nicht für ein Mandat oder eine Funktion bewerben.
Die Basis darf sich bei der 'Abstimmung über diesen Antrag auch nicht mit der "Wohltat" einlullen lassen, wertvolle Lebenszeit nicht bei Parteiveranstaltungen vergeuden zu müssen. Nach diesem bewährten Rezept der Machthungrigen sind schon viele Demokratien zu Gewaltherrschaften mutiert. China und Russland sind schlimme - von unserem Establishment auch noch verdächtig hofierte - Beispiele für eine Entwicklung, der wir aus dieser Erfahrung heraus von Anfang an entgegentreten müssen. Ein Antrag wie dieser wäre dann lebensgefährlich – und käme viel zu spät.
Wir Deutsche haben erfahrungsgemäß die Gene für eine weitere Autokratie, sowohl als Obrigkeit als auch als Untertanen. Unsere Parteiführung verspielt mit solchen Vorschlägen ihr Vertrauen. Das sollte auch die in Bewegung bringen, die überstimmt wurden.
Nur in einer lebendigen Demokratie sind die Einschnitte in unsere Lebensweise möglich, die für die Bewahrung der Lebensgrundlagen unausweichlich sind. Unser Land hat im Vergleich vielleicht noch die einzige rechtsstaatliche Demokratie, die die Herausforderung mit äußerster Anstrengung bewältigen kann – wenn uns gelingt, die reinen Karrieristen, Mutlosen und Spaßvögel von der Macht fern zu halten.
Wir sollten keine Mühe und keinen Zeitaufwand scheuen, um möglichst nur Delegierte mit einem erkennbaren ausgeprägten ökologischen, demokratischen und auch rechtsstaatlichen Grundverständnis und einem entsprechenden Problembewusstsein entsenden zu können..
2. Eine Urnenwahl innerhalb von drei Stunden in der Geschäftsstelle verhindert nicht ausschließbar eine Beteiligung einer relevanten Zahl von interessierten Mitgliedern an der Delegiertenwahl. Da eine größere Zahl von Stimmunterlagen auszufüllen ist, wird sich eine längere Aufenthaltsdauer im Stimmlokal und damit Infektionsgefahr ergeben. Das wäre mit sorgfältigen Hygienemaßnahmen bedingt hinzunehmen, wenn es nicht die Möglichkeit der Briefwahl geben würde.
Auch durch eine Urnenwahl wird der alte Kader dank der Nibelungentreue ihres Netzwerks bevorzugt, während die Mitglieder, die „eigensinnig“ für ihnen nur über 400 Zeichen Text und 1 Minute Videovorstellung bekannten Bewerber*innen stimmen wollen, wesentlich weniger motiviert sein werden, diese künstlich geschaffenen Strapazen auf sich zu nehmen.
3. Wenn - wie in § 1 angegeben - Delegiertenwahlen nicht dem Parteienrecht entsprechend abgeschlossen werden können, ist folgerichtig, auch alle bei der digitalen Abstimmung ausgeschiedenen Bewerber*innen bei der Briefwahl aufzuführen.