Antragsteller*in: | AK Planen-Bauen-Wohnen (dort beschlossen am: 22.07.2024) |
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A2: Positionspapier Hochhäuser in München
Antragstext
Positionspapier Hochhäuser in München
AK Planen-Bauen-Wohnen, Bündnis 90/Die Grünen KV München
PRÄAMBEL
München ist ein dynamischer Wirtschafts- und Lebensraum mit hoher Attraktivität
für Menschen und Unternehmen. Daraus resultieren zahlreiche Konflikte um
Wohnraum und Flächen. Die Stadtgestalt ist geprägt vom Ideal der Europäischen
Stadt, was auch in der PERSPEKTIVE München mit den Leitwerten „kompakt, urban,
grün“ Eingang gefunden hat. Es ist umstritten, inwieweit Hochhäuser für die
zukünftige Stadtentwicklung bei immer geringer werdenden Flächenressourcen eine
Rolle spielen können. Die vom Stadtrat im Juni 2023 verabschiedete
Hochhausstudie bietet dafür ein Regelwerk, welches Kriterien und Verfahren
definiert.
Wir Münchner Grüne haben dieses Positionspapier für den Neubau von Hochhäusern
erstellt, um thematisch differenziert darzustellen, unter welchen
Voraussetzungen dieser Gebäudetypus im Stadtgebiet aus unserer Sicht errichtet
werden könnte. Er soll eine Besonderheit bleiben und hohen Anforderungen
genügen.
Eine Studie zeigt, dass das derzeitige Optimum zwischen Flächenverbrauch und
Ressourceneinsatz bei 6-stöckigen Gebäuden liegt (bspw. nach Stefanie Barbara
Weidner, „Grundlagen für die Planung von ressourcenminimalen urbanen
Strukturen“, 09.07.2020, Fakultät Architektur und Stadtplanung, Universität
Stuttgart). Soll ein Haus höher als 8 Stockwerke gebaut werden (entspricht der
Hochhausgrenze nach Bayerischer Bauordnung, BayBO) gelten die folgenden
Kriterien vollumfänglich.
STANDORT
Bereiche, die städtebaulich noch nicht historisch geprägt sind, bieten laut dem
Plan der Hochhausstudie den größten Spielraum an einigen Stellen auch in größere
Höhen zu planen. Durch die Konzentration von Nutzungen in hoher Dichte und an im
besten Fall bereits mit Infrastruktur versorgten Punkten der Stadt kann nicht
nur der Flächenverbrauch eingeschränkt werden. Auch eine ausreichende und
übergeordnete Erschließung könnte noch besser genutzt werden. In diesem Sinne
ist „Kompakt, urban, grün“ unsere Antwort auf den immer noch grassierenden
Flächenverbrauch.
Bei der Wahl des Standorts ist es für uns relevant, dass mit Sichtachsen bewusst
gearbeitet wird und diese nicht substanziell verändert werden. Das Stadtbild
sollte vielmehr bereichert werden.
Hochhäuser sollten Frischluftschneisen beachten und deren positive Wirkung nicht
negativ beeinflussen.
GESTALTUNG UND STANDORTQUALITÄT
Häuser, die durch ihre Höhe sichtbarer sind als andere Häuser müssen sich durch
eine hochwertige Materialität und durch eine besondere Außengestaltung
auszeichnen. Auswechselbare, eintönige, identitätslose Gestaltung lehnen wir ab.
„Schönheit“, „menschliches Maß“ und die Vorstellung, dass es sich dabei um ein
Gebäude handelt, das in Würde altern kann, brauchen wieder ihren Platz in
unserer Stadt. Daraus ergibt sich auch die Forderung an eine hohe Lebensdauer
des Gebäudes.
Ein Gebäude, das sich – wie traditionell Kirchen oder Rathäuser – „herausnimmt“
höher als andere zu sein, braucht dafür eine gute gestalterische und funktionale
Begründung. Der Grund dafür kann nicht das schiere Vorhandensein von Kapital
oder technischer Machbarkeit sein. Es muss vielmehr einen Wert für die
Stadtgesellschaft darstellen. Dieser Wert muss klar benannt und ausformuliert
werden und den Charakter der Umgebung stärken bzw. prägen.
Die Gestaltung nimmt Rücksicht auf die Umgebung und weist mindestens nach:
- eine dauerhafte Verschattung von anderen Gebäuden wird vermieden
- es existieren keine Blendwirkungen
- das Vorhaben trägt nicht zur Aufheizung der Umgebung bei
- Kaltluftschneisen werden nicht beeinträchtigt
- Es kommt zu keinen Verwirbelungen v.a. im Sockelbereich eines Hochhauses.
- Die Wertigkeit der geplanten Materialien unterstützt den Qualitätsanspruch
Zur Qualitätssicherung ist für jedes Hochhaus-Vorhaben ein architektonischer
Gestaltungswettbewerb durchzuführen.
KLIMASCHUTZ, KREISLAUFFÄHIGKEIT UND RESSOURCENSCHONUNG
Eine Lebenszyklus-CO2-Bilanz (LCA) sollte bei einem Antrag auf eine
Baugenehmigung nachweisen, dass die LCA-Bilanzregeln für den jeweils
entsprechenden Gebäudetyp angewandt wurden und die Treibhausgasemissionen im
Gebäudelebenszyklus diesen Anforderungen entsprechen (s.a. Anlage 3,
Qualitätssiegel Nachhaltiges Bauen, www. qng.info)
Um die sogenannte graue Energie bei der Erstellung der Gebäude auf ein Minimum
zu senken, sind nachhaltige und regenerative Baustoffe zu bevorzugen, z. B.
Holz. Dabei sind die Ziele der Klimaneutralität und der Langlebigkeit zu
berücksichtigen.
Es muss nachgewiesen werden, wie das Hochhaus flexibel für künftig sich
verändernde Bedürfnisse umgebaut werden kann und dass es unter einem hohen
Wiederverwertungsgrad wieder rückgebaut werden kann. Das bedeutet einerseits in
puncto Nutzungskreislauf, dass neben den klassischen Nutzungen Büro und Hotel,
auch andere gewerbliche und Wohn-Nutzungen möglich sein sollen. Der Fokus liegt
in München auf der Wohnnutzung.
Eine Unterbauung von Flächen über den Baukörper des Hochhauses hinaus (z.B. mit
Tiefgaragen) darf nicht stattfinden. Sie widerspricht dem Schwammstadtgedanken,
da es gleichzusetzen ist mit einer Versiegelung der Fläche. Wasser kann nicht
mehr dem Grundwasser zufließen und große klimawirksame Bäume können dort nicht
wachsen.
NUTZUNGSMISCHUNG UND WOHNRAUMSCHAFFUNG
Denn Wohnraum wird zu einem knappen Gut. Die Zahl der obdachlosen Menschen in
München steigt ständig. Zugleich fallen immer mehr Wohnungen aus der
Sozialbindung. Gleichzeitig warten ca. 10.000 -12.000 Menschen meist mit der
höchsten Dringlichkeit auf eine geförderte Wohnung. Da durch Fluktuation nur ca.
3.500 Wohnungen pro Jahr vergeben werden, steigt die Wartezeit von Jahr zu Jahr
weiter an (aktuelle Zahlen ggf. über das Wohnungsamt).
Daher sollen Hochhausvorhaben einen relevanten Beitrag zur Versorgung der
Bevölkerung mit dauerhaft gesichertem, preisgedämpftem Wohnraum sicherstellen.
Hochhäuser sollen dabei Nutzungen wie Wohnen und Arbeiten vereinen.
Geförderter und preisgedämpfter Wohnungsbau muss in den Hochhäusern seinen Platz
haben. In begründeten Ausnahmefällen kann dieser in möglichst direkter Nähe mit
einem Flächenzuschlag auf Basis des Mehrerlöses des freifinanzierten Wohnraums
umgesetzt werden.
LEBENDIGE STADT FÜR ALLE / SOZIALE RÄUME
Wir orientieren uns an einer Stadtgestaltung für Menschen. Öffentliche Freiräume
haben dabei eine wichtige Rolle. Daher sind die städtischen Orientierungswerte
zu erfüllen.
In diesem Zusammenhang sind bei Hochhaus-Vorhaben mindestens zu prüfen:
- Sind das Erdgeschoss und das oberste Geschoss öffentlich und teils auch
ohne Konsumzwang barrierefrei zugänglich?
- Ist der das Gebäude umgebende Raum so gestaltet, dass dort lebendiges
Stadtleben mit hoher Aufenthaltsqualität barrierefrei möglich ist?
- Ist das Gebäude fußläufig auf attraktiven, barrierefreien Wegen gut mit
den angrenzenden Teilen der Stadt verbunden?
- Können Nutzungen in den Erdgeschosszonen und ggf. folgenden Geschossen des
Gebäudes (kleinteilige) Angebote für den umgebenden öffentlichen Raum
sicherstellen?
- Können im umgebenden Quartier fehlende soziale und kulturelle
Infrastruktur in das Hochhausprojekt integriert werden?
- Sind alternative Bauformen in puncto Nachhaltigkeit/ Nutzungsfläche/
Wirtschaftlichkeit am konkreten Standort denkbar, wie bspw. eine hohe
Blockrandbebauung?
ENERGIE
Hochhäuser in München sollten positive Beispiele für Energieeffizienz sein und
im Rahmen interdisziplinärer Planung unter Einsatz neuester Planungstools
konzipiert werden. Hochhäuser sind mindestens im Betrieb kein energetischer
Konsument, sondern idealerweise Produzenten und Teil eines intelligenten
Stromnetzes.
Neben diesen Grundforderungen sind für uns relevant:
- Die Flachdächer sind Nutzflächen: für die Energieerzeugung durch
Photovoltaik und Solarthermie, als kühlende Gründächer oder als
Aufenthaltsflächen.
- Technische Anlagen sind bereits in der Planungsphase in die Gebäude zu
integrieren.
- Die Nutzung regenerativer Energiequellen, inklusive der im Betrieb
erzeugten Wärme.
- Für geeignete Teile der Fassade sind Systeme zu prüfen, die den
Energiebedarf reduzieren bzw. die Erzeugung von Energie unterstützen
(bspw. fassadenintegrierte Photovoltaik). Dabei sollte die Gestaltqualität
beachtet werden.
MOBILITÄT
Hochhäuser benötigen eine hervorragende Erschließung mit leistungsfähigen
öffentlichen Verkehrsmitteln. Daher muss mindestens folgendes Angebot vorhanden
sein:
- Schienengebundener (S-/U-Bahn/Trambahn) Nahverkehr in fußläufiger
Entfernung, entsprechend den Voraussetzungen der Leitlinie PERSPEKTIVE
München für eine hohe Bebauungsdichte. Die Zuwegung für den Fußverkehr
sollte einen hohen Qualitätsstandard erfüllen.
- Für alle Hochhausvorhaben ab der Höhenstufe 3 der Hochhausstudie gelten
besondere Anforderungen. Das sind sog. „Quartierszeichen“, mit max. 150%
Überhöhung, möglich in Raumkategorie C („Höhenprofil gestalten:
Weiterentwicklung eines korrespondierenden, heterogenen Höhenprofils“) und
D („Stadtsilhouette gestalten: Stadtbildprägende Gestaltung der
Stadtsilhouette.“, hier Gebäude über 80m möglich). Es sind hier die
Qualitätsstandards des Nahverkehrsplans für Gebiete mit hoher
Nutzungsdichte einzuhalten (Haltestelleneinzugsbereich U-/S-Bahn/Tram von
600 m/400 m), bei Gruppen von mehr als zwei solcher Hochhäuser jene für
eine Kernzone (400 m/300 m).
- Ergänzend können Konzepte zur Mikromobilität den Weg vom Gebäude zur
Haltstelle (Mikrobusse, Rikschas, E-Scooter) v.a. für Menschen mit
Einschränkungen erleichtern und die Attraktivität des öffentlichen
Angebots erhöhen.
- Die nächstgelegenen Haltestellen sollen auch über ein gutes Angebot an
Bike & Ride-Plätzen verfügen. Eine gute Erreichbarkeit für
mobilitätseingeschränkte Personen ist sicherzustellen.
Durch Mobilitätskonzepte soll der Stellplatzschlüssel auf ein Minimum reduziert
werden. Eine gebaute Mindestanzahl von Stellplätzen soll primär für geteilte
Mobilität (Car-Sharing, Lastenräder, Elektroräder, etc.) und Mikromobilität
geschaffen werden, unter Berücksichtigung von Personen mit
Mobilitätseinschränkung.
ÖFFENTLICHKEIT UND TRANSPARENZ
Die Stadt München informiert die Bürger*innen aktuell über den jeweiligen Status
des Vorhabens und etwaigen Beteiligungsmöglichkeiten. Formate wie Bürger*innen-
Dialoge, Werkstätten oder Bürger*innen-Gutachten können dazu beitragen die Ideen
und Bedenken kennenzulernen und auf diese planerische Antworten zu finden.
Bei Hochhausvorhaben kann frühzeitig Transparenz geschaffen werden durch die
Durchführung einer Vorstudie inklusive einer ersten
Stadtbildverträglichkeitsuntersuchung (SVU) und der ersten Bearbeitung von
Qualitätskriterien vor dem Aufstellungsbeschluss und vor dem Planungswettbewerb.
Im Bauleitplanverfahren sollen die Qualitätskriterien berücksichtigt und
nachgewiesen werden.
Begründung
Der Arbeitskreis Planen-Bauen-Wohnen wurde insbesondere aus dem Interesse heraus gegründet, dass wir uns als Partei zum Thema des Hochhausbau positionieren. Der vorliegende Text ist in vielen Sitzungen seit Gründung des AK vor etwas mehr als einem Jahr entstanden. Eine Abstimmung mit Mitglieder der Stadtratsfraktion hat stattgefunden.
Die weitere Begründung erfolgt mündlich auf der Versammlung.
Unterstützer*innen
- Susanne Weiß
- Herbert Danner
- Roland Barfus
- Michael Seyfried
- Christoph Heidenhain
- Mia Peters
- Gisela Kainz
- Christopher Stark