Status: | Beschluss |
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Beschluss durch: | AK Tierschutz und Ernährung |
Gerechtigkeit für Tiere - Umgang mit Stadttauben in München
Beschlusstext
München hat wie viele Großstädte eine Taubenpopulation aufzuweisen, die für
Bewohner*innen und Gewerbetreibende, Betreiber des ÖPNV, Bahn und Denkmalschutz
manchmal lästig und unangenehm ist.
Tauben konzentrieren sich mangels natürlicher Futterquellen meist dort, wo etwas
Fressbares zu finden ist: an Orten, wo viele Menschen zusammen kommen und
Lebensmittel konsumieren. Stadttauben kommen nicht plötzlich irgendwo her. Sie
sind - genetisch nachgewiesen - Nachkommen von Haustieren: verirrten Brieftauben
und Hochzeitstauben. Als durch die Zucht mit der Felsentaube verwandte Tiere,
nisten Stadttauben nicht wie zum Beispiel Ringeltauben in Bäumen, sondern suchen
Nischen, Vorsprünge und Überhänge, um Nester zu Bauen und zu brüten, zum Ärger
von Bahn, Hauseigentümer*innen und Denkmalschutz. Ihre Standorttreue führt dazu,
dass sie ihre Plätze nicht verlassen und so dauerhaft dort bleiben, wo sie viele
Menschen stören.
Ausreichend Taubenschläge anbieten und fachkundig betreuen
Aktuell gibt es nur eine tierschutzkonforme Möglichkeit, die Population zu
kontrollieren und sukzessive zu reduzieren: betreute Taubenschläge nach dem
sogenannten „Augsburger Modell“. In diesen für Menschen zugänglichen
Taubenschlägen erhalten die Tiere frisches Wasser, artgerechtes Futter und
ausreichend Nistplätze. Die dort gelegten Eier werden zu einem Großteil durch
Attrappen ersetzt und somit der Nachwuchs nach und nach reguliert. Zudem bleibt
der Großteil des Taubenkots im Taubenschlag oder seinem direkten Umfeld und wird
von dort entfernt. München hat zwar deutschlandweit die meisten Taubenschläge,
aber es sind bei weitem nicht genug, um die Gesamtpopulation zu senken. Die
durch die Stadt jährlich zur Verfügung gestellte Summe für Taubenschläge und
deren Betreuung von etwa 30.000 EUR ist nicht ausreichend, um genug
Taubenschläge zu betreiben und allen Tauben einen Platz zu bieten. Für eine
effektive Populationskontrolle braucht es überall dort, wo eine entsprechende
Anzahl an Tauben sich niedergelassen hat, Taubenschläge entsprechender Größe.
Fütterungsverbot entkriminalisieren
Um Tauben abseits von Taubenschlägen nicht an Örtlichkeiten zu gewöhnen, hat die
Stadt ein Fütterungsverbot erlassen. Das ist allerdings nicht zielführend: Es
zwingt Tauben immer näher zu den Menschen, die Essensreste liegen lassen, um
überhaupt zu überleben. Bei der Aufnahme von Essensresten werden Tauben krank,
denn sie brauchen Körner, um gesund zu bleiben. Brot, Pommes, zuckerhaltige
Lebensmittelreste - all das, was Menschen hinterlassen schadet der
Taubengesundheit.
Auf das Brutverhalten wirkt sich das Fütterungsverbot ebenfalls nicht aus.
Tauben wurde der Brutzwang angezüchtet, um den Nachwuchs an Brieftauben und
Hochzeitstauben zu gewährleisten. Tauben brüten regelmäßig, auch wenn die
Umstände schlecht sind. Das Fütterungsverbot führt also nur marginal zu weniger
Tieren, zum Beispiel durch Krankheiten, aber zu deutlich mehr durch uns Menschen
verursachtes Leid.
Ein Gutachten aus Berlin hat 2021 festgestellt, dass ein Fütterungsverbot von
Stadttauben möglicherweise nicht legal sein könnte, da es sich bei Stadttauben,
wie bei streunenden Hunden oder Katzen, um Haustiere bzw. deren Nachkommen
handelt, für die Kommunen eine Nachsorgepflicht haben. Damit dürfen sie nicht,
wie aktuell der Fall, wie Wildtiere behandelt werden. Eine artgemäße Fütterung
wäre demnach mindestens angezeigt, um der Nachsorgepflicht gerecht zu werden.
Denn das Tierheim München kann weder alle 40.000-100.000 Tauben in München
fangen und unterbringen, noch alleine versorgen.
So lange es nicht für alle Tauben Platz in betreuten Schlägen gibt, ist das
Fütterungsverbot mindestens potenziell ein Verstoß gegen das Tierschutzgesetz.
Wildes Füttern ist nur zu vermeiden, indem die Stadt selbst oder dazu
legitimierte Personen eine Fütterung an festen Plätzen mit artgerechter Nahrung
gewährleisten. So bleiben die Tauben und ihre Hinterlassenschaften gesund, bzw.
nicht krankheitserregend. Fügt man all diese Argumente zusammen ergibt sich
akuter Handlungsbedarf, wenn die Stadt die Tauben im Einklang mit dem
Tierschutzgesetz behandeln will und trotzdem ihre Anzahl reduzieren möchte:
München braucht deutlich mehr Taubenschläge und darf dabei nicht nur auf
Angebote von Hauseigentümer*innen hoffen. Sie muss das Zepter selbst in die Hand
nehmen und aktiv steuern.
Für uns gilt:
• Stadttauben sind Nachkommen von Haustieren (Brief-/Sport-, Hochzeitstauben).
Juristisch ist eine Nachsorgepflicht nicht gänzlich auszuschließen.
• Stadttauben sind als gezüchtete Haustiere von einer artgerechten Fütterung
durch den Menschen abhängig, um sie gesund zu halten im Sinne des im Grundgesetz
verankerten Tierschutzgesetzes. Als standorttreue Körnerfresser haben sie in der
Stadt alleine keine Chance, artgerechtes Futter zu finden.
• Eine mit dem Tierschutzgesetz zu vereinbarende Reduzierung der Stadttauben-
Population ist nur durch den Tausch von Taubeneiern mit Attrappen möglich.
• Vergrämungsmaßnahmen, die zu Verletzungen oder Tod von Tauben oder Trennung
von Elterntieren und Jungtieren führen können, insbesondere sogenannte „Spikes"
und Abwehrnetze, sind mit unserer Interpretation des Tierschutzgesetzes nicht
vereinbar. Das Tierschutzgesetz ist im Grundgesetz verankert. Es gibt eine
andere Methode Tauben von bestimmten Orten fernzuhalten: betreute Taubenschläge
nach dem Augsburger Modell.
• Der Abschuss von Stadttauben als letztes Mittel, um diese beispielsweise von
Kindergärten fern zu halten oder aus U-Bahn-Höfen zu entfernen, ist nicht
akzeptabel. Das letzte Mittel muss das Einfangen der Tiere und eine Übermittlung
an das Tierheim München sein. Wir fordern darüber hinaus Transparenz beim
Erteilen und Ergreifen von Maßnahmen, die zu einer Vergrämung oder Entfernung
von Tauben genutzt werden, zum Beispiel durch Unterrichtungen in
Bezirksausschüssen.
• Der tierschutzgesetzkonforme Umgang mit Stadttauben bedeutet zunächst ein
höheres finanzielles Investment, welches mittelfristig aber dafür Sorge trägt,
dass laufende Kosten für neue Vergrämungsmaßnahmen, Reinigung von Fassaden und
Freizeitflächen, Kontrolle und Wartung von Vergrämungsmaßnahmen, Versorgung
kranker und verletzter Tiere sinken.
Wir GRÜNE fordern daher:
• das Fütterungsverbot auszusetzen und durch das Veterinäramt oder damit
beauftragte Personen oder Vereine eine artgerechte Fütterung zu garantieren, wo
eine Taubenpopulation, aber kein betreuter Taubenschlag vorhanden ist.
• Ein Fütterungsverbot erkennen wir nur dort als sinnvoll und durchzusetzen an,
wo betreute Taubenschläge in ausreichender Zahl die vorhandene Population an
Tauben beherbergen kann. Nur dort ist parallele Fütterung kontraproduktiv, weil
sie Tauben von Taubenschlägen in der Umgebung weglockt.
• die Entkriminalisierung von Taubenfütterung. Wir setzen auf Aufklärung sowie
Mitwirken bei den von uns geforderten Maßnahmen durch Menschen, die sich um
Tauben sorgen und aktuell illegal Fütterungen aus Tierschutzgründen vornehmen.
Die Stadt braucht die Hilfe dieser Menschen, die sich für kranke, verletzte
Tiere und das Aufzeigen illegaler Vergrämungen und anderen
Tierschutzgesetzverstößen einsetzen.
• eine Aufstockung der jährlichen finanziellen Mittel für Bau, Installation,
Wartung und Betreuung von Taubenschlägen nach dem Augsburger Modell, um in
absehbarer Zeit allen Populationen eine Unterkunft mit artgerechter Versorgung
zu ermöglichen.
• eine angemessene Bezahlung mindestens auf Mini-Job-Niveau für Fachpersonal,
das mit der Betreuung und Reinhaltung der Schläge und dem Tausch der Taubeneier
betraut wird. • dort, wo keine geeigneten Immobilien für die Installation von
Taubenschlägen gefunden werden, braucht es kreative Lösungen, zum Beispiel durch
den Bau sogenannter Taubentürme oder das Aufstellen von Containern mit der
Funktion eines Taubenschlags.
• die feste Einplanung von Taubenschlägen insbesondere bei städtischen Neubauten
oder Sanierungen oder solchen Neu-/Umbauten, bei denen die Stadt Einfluss auf
Nutzung und Gestaltung ausüben kann.
• eine sichtbare und wirksame Aufklärungskampagne (3. Säule des Münchner drei-
Säulen-Modells zur Reduzierung der Taubenpopulation), die mit Vorurteilen
gegenüber Tauben aufräumt sowie für einen tierschutzgesetzkonformen Umgang wirbt
und über die Aktivitäten der Stadt diesbezüglich aufklärt - z.B. über
Infoanzeigen an Bahnhöfen oder in Fahrzeugen der MVG.
• eine klare Agenda der Stadt mit kontrollierbaren Zielvorgaben bezüglich der
Entwicklung der Anzahl der Stadttauben, einen transparenten Evaluationsprozess
und jährlichen Informationstausch zwischen Stadt, Bezirksausschüssen und
Interessenvertreter*innen.